Landesbischof Meister kritisiert unzureichende Kommunikation unter kirchenleitenden Gremien zum Thema Sexualisierte Gewalt
Von sexualisierter Gewalt betroffene Personen sollen künftig direkt vor der Landessynode sprechen können. Überdies soll es in Zukunft eine gewählte Betroffenen-Vertretung für die gesamte Landeskirche geben. Dies sind die zentralen Beschlüsse der Synodalen zum Ende des Themenschwerpunktes sexualisierte Gewalt am Freitagvormittag. Beides gab die Synode zur Umsetzung in Auftrag. Am Nachmittag beschloss die Synode zudem die Änderung der Geschäftsordnung: Damit ist überdies die Funktion einer sprechenden Person für betroffene Personen für alle Tagungen verankert. Zudem sollen betroffene Personen in der Arbeit der Fachausschüsse der Synode gehört werden.
Von sexualisierter Gewalt betroffene Personen sollen künftig direkt vor der Landessynode sprechen können. Überdies soll es in Zukunft eine gewählte Betroffenen-Vertretung für die gesamte Landeskirche geben. Dies sind die zentralen Beschlüsse der Synodalen zum Ende des Themenschwerpunktes sexualisierte Gewalt am Freitagvormittag. Beides gab die Synode zur Umsetzung in Auftrag. Am Nachmittag beschloss die Synode zudem die Änderung der Geschäftsordnung: Damit ist überdies die Funktion einer sprechenden Person für betroffene Personen für alle Tagungen verankert. Zudem sollen betroffene Personen in der Arbeit der Fachausschüsse der Synode gehört werden.
Mit diesen zentralen Entscheidungen, die der Rechtsausschuss und der Ausschuss für kirchliche Mitarbeit vorbereitet hatten, reagiert das Kirchenparlament auf die Kritik betroffener Personen, die diese bereits im Nachgang der Frühjahrstagung im vergangenen Jahr im Kloster Loccum vorgebracht hatten.
Sämtliche Beschlüsse fasste die Landessynode einstimmig bzw. mit großer Mehrheit. Für die Erarbeitung eines Kirchengesetzes für einen Betroffenenbeirat bleibt der laufenden 26. Landessynode bis zum Jahresende nicht ausreichend Zeit. "Deshalb wollen wir schon jetzt vorsorglich einen Grundsatzbeschluss voranstellen, damit die kommende Synode direkt mit der Umsetzung beginnen kann", sagte Daniel Aldag (Sprengel Ostfriesland-Ems) als Vorsitzender des Rechtsausschusses. Bereits für die nächste Tagung der 26. Landessynode im November, so der Antrag des Synodalen Martin Krarup (Sprengel Stade) soll das Präsidium ermöglichen, dass betroffene Personen auf der Tagung ein direktes Rederecht erhalten.
Begonnen hatte der Tag mit Stellungnahmen betroffener Personen, die von den Sprechenden des Publikums, Dr. Marlene Kowalski und Olaf Jantz,wörtlich vorgetragen worden waren. In mehreren Briefen und Eingaben hatten von Gewalt betroffene Personen Vorwürfe gegen die unterschiedlichen Organe der Landeskirche erhoben. Die Kritik galt zum einen Landesbischof Ralf Meister, der entgegen vor Jahresfrist geäußerter Ankündigungen nicht ausreichend Lernerfahrungen sichtbar gemacht habe. Dies habe sich insbesondere durch das Fernbleiben des von der Betroffenen Nancy Janz mitgestalteten Gottesdienstes "Gott, wo bist Du?" während des Kirchentages gezeigt.
Die Betroffene Lisa Meyer hielt in einem Brief jedoch auch der versammelten Synode vor, sich nach der Frühjahrstagung 2024 im Kloster Loccum entgegen dort geäußerter Ankündigungen nicht wieder bei ihr gemeldet zu haben. Sie sei damit wieder aus dem Bewusstsein verschwunden.
Kowalski, die beruflich Leiterin der Fachstelle bei der Diakonie Deutschland ist, und Jantz vom Büro Mannigfaltig traten insgesamt dreimal vor das Parlament, um Eingaben und Kommentare von betroffenen Personen zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Diskussion vorzutragen. (Der Live-Stream des gesamten Themenschwerpunktes mit allen Stellungnahmen ist weiterhin im Internet abrufbar.)
Bericht des Landeskirchenamtes
Zu Beginn der Debatte hatte zunächst Dr. Jens Lehmann, Präsident des Landeskirchenamtes, die Synodalen über den Stand der Dinge informiert.
- Mit der Rundverfügung G1/2025 werden künftig auch alle ehrenamtlich Tätigen in den Kirchengemeinden zu einer Grundschulung zur Prävention sexualisierter Gewalt verpflichtet. Wie mit "Kleinst-Ehrenämtern" in der Praxis umgegangen werden kann, soll eine folgende Auslegungshilfe beschreiben. Einig waren sich die Anwesenden, dass auch Personen, die den Gemeindebrief austragen, sprachfähig sein sollten. Die Grundschulung sei keine "Strafe", sondern eine Chance, Kirche sicherer zu machen, ergänzte die Synodale Ute Szameitat (Sprengel Lüneburg) in der Aussprache.
- Die Ergebnisse aus dem Werkstatttag, zu dem Mitarbeitende im Dezember 2024 eingeladen waren und in einem Barcamp eigene Themen zu Machtmissbrauch bearbeiten konnten, werden gegenwärtig im Landeskirchenamt für die Umsetzung vorbereitet. Jens Lehmann stellte dabei klar: "Ich bin verantwortlich für die Umsetzung."
- Die neuen EKD-weiten Regelungen für die Anerkennungsleistungen für betroffene Personen müssen bis Jahresende auf Ebene der Konföderation in geltendes Recht übernommen werden. Da für Niedersachsen und Bremen bereits eine Anerkennungskommission gemäß den neuen Regelungen besteht und die evangelischen Kirchen beider Bundesländer bereits seit 2012 individuelle Leistungen zahlen, hat Lehmann keinen Zweifel, dass die neuen Regelungen gemeinsam umgesetzt werden.
- URAK - die "Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommission" für Niedersachsen und Bremen konnte sich noch nicht konstituieren, da es bislang keine vom Land benannte Fachleute für dieses Gremium gibt. Lehmann kündigte an, die Konföderation werde nach der neuen Regierungsbildung in Niedersachsen das Gespräch mit dem Land suchen. "Wir haben hohes Interesse, dass auch die URAK Niedersachsen-Bremen bald ihre Arbeit aufnehmen kann."
- Seit Dezember 2024 unterstützt Dr. Martin Hauger als persönlicher Referent den LKA-Präsidenten bei der Umsetzung aller Vorhaben im Bereich Intervention, Prävention und Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Bereich der Landeskirche Hannovers.
Bericht der Fachstelle Sexualisierte Gewalt
Mareike Dee, Leiterin der landeskirchlichen Fachstelle, konnte ein Jahr nach dem wegweisenden Beschluss der Landessynode zur elementaren Aufstockung der Anlaufstelle die Besetzung aller seinerzeit hinzugefügten neuen Stellen verkünden. "Seit dem 12. Mai, also seit vergangenem Montag, haben alle neuen Mitarbeitenden ihre Tätigkeit aufgenommen."
Dee beschrieb – auch unter dem Eindruck der zuvor gehörten Kritik betroffener Personen – noch einmal, dass es für eine geänderte Haltung der Landeskirche darauf ankomme, "dass alle gemeinsam" auf diesem Weg unterwegs seien und dabei "nicht stehen bleiben". Dies gelte auch für anstehende Aufträge zur Aufarbeitung und die Verankerung der Prävention im Bewusstsein aller Mitarbeitenden, im Beruf wie im Ehrenamt.
Dee beschrieb die für sie sichtbare Veränderung unter anderem durch die gestiegene Zahl betroffener Personen, die sich zu Wort meldeten. Durch deren Kritik und Empörung sowie Forderung nach Solidarität. Durch die zunehmende Diskussion (auch innerkirchlich) zur Anwendung und Bedeutung von Macht. "Geduld ist nicht meine Stärke", sagte Dee, "aber ich habe einen langen Atem" – den brauche auch die Synode, um die weiterhin notwendigen Veränderungen voranzubringen.
Dee kündigte zwei konkrete Aufträge für eine externe Aufarbeitung an: Zum einen die des Mitbegründers der Communität Koinonia sowie zum anderem der Fall von (auch sexualisierter) Gewalt gegen Pflegekinder in der Kirchengemeinde Elsdorf. Überdies seien weitere Aufarbeitungs-Aufträge in Vorbereitung. In Bearbeitung sei zudem ein Konzept, um alle Fälle systematisch zu betrachten, die die Landeskirche Hannovers dem unabhängigen Forschungsverbund ForuM gemeldet hatte. Noch vor den Sommerferien werde es zudem eine Pressekonferenz geben, auf der der Aufarbeitungsbericht zu Klaus Vollmer vorgestellt werde.
Die Fachstelle arbeite zudem mit an den in Rede stehenden, geplanten Konzepten für eine verstetigte Einbeziehung betroffener Personen in die Entscheidungsprozesse der Landeskirche.
Pressekonferenz: Kritik und Vertrauen
In der anschließenden Pressekonferenz rückten Pressevertreter noch einmal die Kritik der Betroffenen Nancy Janz an Ralf Meister in den Mittelpunkt. Die Vorsitzenden der beiden Synodalgruppen, Dr. Fritz Hasselhorn (Sprengel Osnabrück), Dr. Karin Köhler und Ruben Grüssing (Sprengel Ostfriesland-Ems) sagten, Meister habe sich in den Sitzungen der Synodalgruppen offen auch kritischen Fragen gestellt; beide Gruppen hätten im Nachgang keinen Anlass gesehen, ihre Einschätzung aus dem letzten Jahr zu verändern.
Landesbischof Ralf Meister machte in der Pressekonferenz noch einmal sehr deutlich, dass er sein unfreiwilliges Fernbleiben bei einem Gottesdienst zum Thema Sexualisierte Gewalt auf dem Kirchentag außerordentlich bedaure. Zugleich seien seine Bitten an Nancy Janz um ein Gespräch unerfüllt geblieben.
Auf die Frage, wie die Landeskirche das Engagement betroffener Personen würdige, entgegnete Martin Steinke (Sprengel Osnabrück) als stellvertretender Vorsitzende des Landessynodalausschusses: "Wir würdigen es durch die Umsetzung unserer Vorhaben. Ich glaube, wir können klar sagen, dass es einige der heutigen Beschlüsse nicht gegeben hätte ohne die Kritik der Betroffenen."
Meister dankte nach der Pressekonferenz im Plenum der Synode für die offen an ihn gerichtete Kritik. Er benannte auch vor dem Hintergrund der von Betroffenen beklagten mangelnden Sichtbarkeit Kirchenleitender auf dem Kirchentag bei den Veranstaltungen zu sexualisierten Gewalt eine noch unzureichende Kommunikation zwischen den leitenden Gremien.