Porträt
Glaube ist eine lebendige, verwegene Zuversicht
Mit folgendem Votum hat sich Landesbischof Ralf Meister der Generalsynode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) vorgestellt. Am 9. November 2018 hat sie ihn zum Leitenden Bischof gewählt.
Hamburg, Jerusalem, Lauenburg an der Elbe, Kiel, Lübeck, Berlin, Hannover. Geprägt in einer lutherischen nordelbischen Landeskirche, der ich viel verdanke. Großartige Arbeitsmöglichkeiten, an der Universität, als Pastor in der Rundfunkarbeit beim NDR in Kiel und als Propst in Lübeck.
In Vorbereitung auf die Übernahme des Bischofsamtes in Hannover wurde mir immer zugesteckt, die Hannoversche Landeskirche pflege ein mildes Luthertum. Was das nun genau meint, im Gegensatz zu scharfem oder bitterem, stahlhartem oder wachsweichem Luthertum, blieb mir rätselhaft. Und auch an den theologischen Profilen zweier meiner Amtsvorgänger, Eduard Lohse und Horst Hirschler, ergab sich nicht zwingend eine gerade Linie für diese „Milde-Luthertum-Variante“. Für mich in Kurzform: schriftgründend, analytisch stark, theologisch fundiert, ökumenisch, selbstkritisch, lernbereit und mutig.
Durch das Reformationsjubiläum 2017 haben wir einen gesellschaftlichen Push erhalten, den wir weiter nutzen müssen. Allzumal, weil in den norddeutschen Ländern der Reformationstag nun gesetzlicher Feiertag ist. Man wird in 20 Jahren die Einführung eines konfessionellen Feiertags entweder als Anachronismus beschreiben: Wie konnte es geschehen, 2018 in einem religiös und weltanschaulich neutralen Staat mit einer zunehmend kirchlich distanzierten Gesellschaft einen solchen Feiertag zu setzen? Oder man wird es verstehen als eine akzeptierte konfessionelle Markierung in einer gesamtgesellschaftlichen Lerngeschichte. Eine Lerngeschichte, die zwar konfessionell gegründet, jedoch konfessions- und religionsübergreifend gesellschaftliche Veränderung mit theologischen Impulsen und Initiativen versieht.
Die Möglichkeiten beim Blick auf unsere Ressourcen, Finanzen und Mitglieder werden weniger, die Erwartungen allerdings bleiben hoch. Verweigern wir uns nicht diesen Erwartungen. Wir werden auch in ökumenischen, interreligiösen und breiten zivilgesellschaftlichen Allianzen sichtbar bleiben. Ja, wir können sie initialisieren und klar markieren. Tun wir es!
Wir sind stolz darauf, dass wir eine pluralitätsfähige Gestalt des christlichen Glaubens anbieten. Die evangelisch-lutherische Konfession bietet mit ihrer Botschaft der Rechtfertigung allein aus Glauben eine Haltung gegen die Gnadenlosigkeit unserer Welt, die jeden Tag aktueller wird. Ich bin überzeugt, dass diese Rechtfertigungsbotschaft uns auch dort dialogfähig bleiben lässt, wo andere die Kommunikation schon längst eingestellt haben.
In einem Lutherwort finde ich vieles von dem, was meinen Glauben ganz persönlich ausmacht. Ich liebe ein paar Zeilen aus der Vorrede zum Römerbrief:
„Glaube ist eine lebendige, verwegene Zuversicht auf Gottes Gnade,so gewiss, dass er tausendmal drüber stürbe. Und solche Zuversicht und Erkenntnis göttlicher Gnade macht fröhlich, trotzig, voller Lust gegen Gott und alle Kreaturen. Daher wird der Mensch ohne Zwang willig und voller Lust, jedermann Gutes zu tun, jedermann zu dienen, allerlei zu leiden, Gott zu Liebe und zu Lob, der einem solche Gnade erzeigt hat.“
Martin Luther, Vorrede zum Römerbrief
Verwegene Zuversicht, die uns fröhlich, trotzig und lustvoll macht. Wow, dieses Ereignis und auch diese Sprache ist der Reichtum in meinem Leben! Mich fasziniert, wie mein Glaube aus einer fast unglaublichen Geste Gottes in Jesus Christus entsteht, und in und durch diese Bewegung Gottes in millionenfacher Weise Wort und Tat in dieser Welt erhält. Gottesüberraschungen jeden Augenblick. Das geschieht abenteuerlich, beherzt, couragiert, frisch und forsch, draufgängerisch und furchtlos, gewagt, kämpferisch, kühn, mutig, risikofreudig, riskant, wagemutig und verrückt.
Das ist mein Glaube. Das ist mein Glück.
Hamburg, Jerusalem, Lauenburg an der Elbe, Kiel, Lübeck, Berlin, Hannover. Geprägt in einer lutherischen nordelbischen Landeskirche, der ich viel verdanke. Großartige Arbeitsmöglichkeiten, an der Universität, als Pastor in der Rundfunkarbeit beim NDR in Kiel und als Propst in Lübeck.
In Vorbereitung auf die Übernahme des Bischofsamtes in Hannover wurde mir immer zugesteckt, die Hannoversche Landeskirche pflege ein mildes Luthertum. Was das nun genau meint, im Gegensatz zu scharfem oder bitterem, stahlhartem oder wachsweichem Luthertum, blieb mir rätselhaft. Und auch an den theologischen Profilen zweier meiner Amtsvorgänger, Eduard Lohse und Horst Hirschler, ergab sich nicht zwingend eine gerade Linie für diese „Milde-Luthertum-Variante“. Für mich in Kurzform: schriftgründend, analytisch stark, theologisch fundiert, ökumenisch, selbstkritisch, lernbereit und mutig.
Durch das Reformationsjubiläum 2017 haben wir einen gesellschaftlichen Push erhalten, den wir weiter nutzen müssen. Allzumal, weil in den norddeutschen Ländern der Reformationstag nun gesetzlicher Feiertag ist. Man wird in 20 Jahren die Einführung eines konfessionellen Feiertags entweder als Anachronismus beschreiben: Wie konnte es geschehen, 2018 in einem religiös und weltanschaulich neutralen Staat mit einer zunehmend kirchlich distanzierten Gesellschaft einen solchen Feiertag zu setzen? Oder man wird es verstehen als eine akzeptierte konfessionelle Markierung in einer gesamtgesellschaftlichen Lerngeschichte. Eine Lerngeschichte, die zwar konfessionell gegründet, jedoch konfessions- und religionsübergreifend gesellschaftliche Veränderung mit theologischen Impulsen und Initiativen versieht.
Die Möglichkeiten beim Blick auf unsere Ressourcen, Finanzen und Mitglieder werden weniger, die Erwartungen allerdings bleiben hoch. Verweigern wir uns nicht diesen Erwartungen. Wir werden auch in ökumenischen, interreligiösen und breiten zivilgesellschaftlichen Allianzen sichtbar bleiben. Ja, wir können sie initialisieren und klar markieren. Tun wir es!
Wir sind stolz darauf, dass wir eine pluralitätsfähige Gestalt des christlichen Glaubens anbieten. Die evangelisch-lutherische Konfession bietet mit ihrer Botschaft der Rechtfertigung allein aus Glauben eine Haltung gegen die Gnadenlosigkeit unserer Welt, die jeden Tag aktueller wird. Ich bin überzeugt, dass diese Rechtfertigungsbotschaft uns auch dort dialogfähig bleiben lässt, wo andere die Kommunikation schon längst eingestellt haben.
In einem Lutherwort finde ich vieles von dem, was meinen Glauben ganz persönlich ausmacht. Ich liebe ein paar Zeilen aus der Vorrede zum Römerbrief:
„Glaube ist eine lebendige, verwegene Zuversicht auf Gottes Gnade,so gewiss, dass er tausendmal drüber stürbe. Und solche Zuversicht und Erkenntnis göttlicher Gnade macht fröhlich, trotzig, voller Lust gegen Gott und alle Kreaturen. Daher wird der Mensch ohne Zwang willig und voller Lust, jedermann Gutes zu tun, jedermann zu dienen, allerlei zu leiden, Gott zu Liebe und zu Lob, der einem solche Gnade erzeigt hat.“
Martin Luther, Vorrede zum Römerbrief
Verwegene Zuversicht, die uns fröhlich, trotzig und lustvoll macht. Wow, dieses Ereignis und auch diese Sprache ist der Reichtum in meinem Leben! Mich fasziniert, wie mein Glaube aus einer fast unglaublichen Geste Gottes in Jesus Christus entsteht, und in und durch diese Bewegung Gottes in millionenfacher Weise Wort und Tat in dieser Welt erhält. Gottesüberraschungen jeden Augenblick. Das geschieht abenteuerlich, beherzt, couragiert, frisch und forsch, draufgängerisch und furchtlos, gewagt, kämpferisch, kühn, mutig, risikofreudig, riskant, wagemutig und verrückt.
Das ist mein Glaube. Das ist mein Glück.
Ein Prediger aus Leidenschaft
Porträt des Evangelischen Pressedienstes zur Amtseinführung von Ralf Meister als Landesbischof in Hannover
Grundsätzliche Lebenseinstellungen, die von der Jugend bis ins hohe Alte starr bleiben, findet Ralf Meister eher verdächtig. Bewegung und Veränderung bestimmen die Lebensgeschichte des 49-Jährigen.
Mit Meister tritt ein leidenschaftlicher Prediger an die Spitze der Landeskirche mit knapp drei Millionen Mitgliedern. Der bisherige Berliner Generalsuperintendent charakterisiert sich selbst als "ein Wandernder in dieser Welt". Die Attraktivität des Neuen, der schmerzhafte Abschied vom Alten und dazwischen immer wieder die Suche nach einem Ganzen: "Das ist eine Melodie meines Lebens", sagt er.
Seit Mai 2008 predigte der gebürtige Hamburger gegen den "verbreiteten Gewohnheitsatheismus" in der Bundeshauptstadt an. Im Sprengel Berlin mit rund 720.000 Gemeindemitgliedern traf er auf Menschen, die keine Großeltern, Eltern oder Freunde hatten, die sie mit dem Glauben vertraut machten, erläutert er: "Und die ihnen zeigen konnten, dass es auch im Christentum eine frohe, offene Wahrnehmung des Lebens gibt."
Dem Theologen ist es wichtig, schwierige theologische Themen so aufzubereiten, dass jeder sie verstehen kann: "Das gelingt oft, aber nicht immer." Gelernt hat er dieses Handwerk auch als langjähriger Autor von Morgenandachten im NDR und als "Wort zum Sonntag"-Sprecher in der ARD. Die Kritikkultur bei den Medien findet er befreiend: "Wer öffentlich reden will, muss präzise formulieren und sich auf die Hörerinnen und Hörer einstellen. Das hat mich sehr gereizt."
Folgerichtig war Meister fünf Jahre lang Rundfunkpastor in Kiel, dann von 2001 bis 2008 Propst in Lübeck. Von dort führte ihn sein Weg nach Berlin und jetzt nach Hannover. Studiert hat Meister neben Theologie auch Judaistik, ein Jahr lebte er deshalb in Jerusalem.
Die Stellen, auf die er sich im Lauf seines Lebens von sich aus beworben hat, bekam er nicht, erzählt der hochgewachsene Norddeutsche mit dem immer noch leichten Hamburger Slang. Immer hätten ihn andere gefragt. "Sonst wäre ich vielleicht Pfarrer in London geworden oder nach Beirut gegangen." Gott habe eben bestimmte Wege verhindert und andere möglich gemacht: "Und nun bin ich da."
Sein erstes Ziel für die nächsten Monate sieht der neue Bischof darin, seine Landeskirche zwischen Harz, Heide und Nordsee kennenzulernen: "Das ist eine klare Binnenperspektive, aus der aber nachhaltig Linien erwachsen werden."
Ein paar dieser Linien zeichnen sich bereits ab. Der gewaltlose Widerstand der Kirchengemeinden in Gorleben gehört dazu, das Kirchenasyl für Flüchtlinge und die Massentierhaltung, "wo Ökonomie und Ethik aufeinander bezogen werden müssen". In kritischen gesellschaftlichen Situationen sollte auch der Bischof klärend oder deutend einen Satz sagen, betont Meister: "Der muss aber immer theologisch klar begründbar sein."
epd
Grundsätzliche Lebenseinstellungen, die von der Jugend bis ins hohe Alte starr bleiben, findet Ralf Meister eher verdächtig. Bewegung und Veränderung bestimmen die Lebensgeschichte des 49-Jährigen.
Mit Meister tritt ein leidenschaftlicher Prediger an die Spitze der Landeskirche mit knapp drei Millionen Mitgliedern. Der bisherige Berliner Generalsuperintendent charakterisiert sich selbst als "ein Wandernder in dieser Welt". Die Attraktivität des Neuen, der schmerzhafte Abschied vom Alten und dazwischen immer wieder die Suche nach einem Ganzen: "Das ist eine Melodie meines Lebens", sagt er.
Seit Mai 2008 predigte der gebürtige Hamburger gegen den "verbreiteten Gewohnheitsatheismus" in der Bundeshauptstadt an. Im Sprengel Berlin mit rund 720.000 Gemeindemitgliedern traf er auf Menschen, die keine Großeltern, Eltern oder Freunde hatten, die sie mit dem Glauben vertraut machten, erläutert er: "Und die ihnen zeigen konnten, dass es auch im Christentum eine frohe, offene Wahrnehmung des Lebens gibt."
Dem Theologen ist es wichtig, schwierige theologische Themen so aufzubereiten, dass jeder sie verstehen kann: "Das gelingt oft, aber nicht immer." Gelernt hat er dieses Handwerk auch als langjähriger Autor von Morgenandachten im NDR und als "Wort zum Sonntag"-Sprecher in der ARD. Die Kritikkultur bei den Medien findet er befreiend: "Wer öffentlich reden will, muss präzise formulieren und sich auf die Hörerinnen und Hörer einstellen. Das hat mich sehr gereizt."
Folgerichtig war Meister fünf Jahre lang Rundfunkpastor in Kiel, dann von 2001 bis 2008 Propst in Lübeck. Von dort führte ihn sein Weg nach Berlin und jetzt nach Hannover. Studiert hat Meister neben Theologie auch Judaistik, ein Jahr lebte er deshalb in Jerusalem.
Die Stellen, auf die er sich im Lauf seines Lebens von sich aus beworben hat, bekam er nicht, erzählt der hochgewachsene Norddeutsche mit dem immer noch leichten Hamburger Slang. Immer hätten ihn andere gefragt. "Sonst wäre ich vielleicht Pfarrer in London geworden oder nach Beirut gegangen." Gott habe eben bestimmte Wege verhindert und andere möglich gemacht: "Und nun bin ich da."
Sein erstes Ziel für die nächsten Monate sieht der neue Bischof darin, seine Landeskirche zwischen Harz, Heide und Nordsee kennenzulernen: "Das ist eine klare Binnenperspektive, aus der aber nachhaltig Linien erwachsen werden."
Ein paar dieser Linien zeichnen sich bereits ab. Der gewaltlose Widerstand der Kirchengemeinden in Gorleben gehört dazu, das Kirchenasyl für Flüchtlinge und die Massentierhaltung, "wo Ökonomie und Ethik aufeinander bezogen werden müssen". In kritischen gesellschaftlichen Situationen sollte auch der Bischof klärend oder deutend einen Satz sagen, betont Meister: "Der muss aber immer theologisch klar begründbar sein."
epd