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Beihilfe zum Suizid: Recht an den Grenzen

Wed, 15 Jul 2015 10:01:21 +0000 von . Bischofskanzlei

Bundestagsvizepräsidentin Edelgard Bulmahn (SPD) sieht den Bundestag in der Pflicht, die umstrittene Beihilfe zur Selbsttötung gesetzlich zu regeln. Die Ärztekammern hätten es über viele Jahre nicht geschafft, Fragen der Suizidhilfe selbst einheitlich zu klären, sagte sie am Dienstagabend in Hannover bei einer Diskussion der SPD-Bundestagsfraktion zur Sterbehilfe: "Der Gesetzgeber muss jetzt eingreifen."

Bundesweit bestehe ein wahrer "Flickenteppich" verschiedener Regelungen bei den 17 Landesärztekammern, kritisierte Bulmahn. Diese Rechtsunsicherheit belaste Ärzte und Patienten. So drohten zehn Landesärztekammern Medizinern mit Entzug der Zulassung, wenn sie Suizidhilfe leisteten. Patienten suchten deshalb Hilfe bei gewinnorientierte Sterbehilfe-Organisationen. Die Suizidhilfe sei in Deutschland rechtlich bislang jedoch nicht strafbar.

Der Bundestag berät zurzeit über vier parteiübergreifende Entwürfe zum assistierten Suizid. Dabei geht es darum, inwieweit die geschäftsmäßige Sterbehilfe verboten oder unter bestimmten Umständen erlaubt werden soll. Im Gespräch ist auch ein Vorschlag, Ärzten in engen Grenzen die Suizidbeihilfe zu erlauben. Das Gesetz werde auf jeden Fall über dem uneinheitlichen ärztlichen Standesrecht stehen, sagte Bulmahn. Es schaffe somit nicht nur Rechtssicherheit, sondern auch eine "gesellschaftliche Norm", die in die Ausbildung von Ärzten eingehen werde.

In der Diskussion betonte Landesbischof Ralf Meister, dass viele dieser Situationen gar nicht formell geregelt werden könnten: "Das Recht kommt hier an seine Grenzen." Sterbehilfe sei nicht nur eine "höchstpersönliche Entscheidung" der individuellen Freiheit, sagte er. Es sei auch eine soziale Frage, denn Angehörige oder Sterbebegleiter seien ebenfalls von dieser schwerwiegenden Entscheidung betroffen.

Der Medizinethiker Gerald Neitzke sagte, die Ärzteschaft müsse selbst klären, ob Ärzte ihren Patienten bei Suiziden medizinisch behilflich sein dürfen oder nicht. "Weitere gesetzliche Regelungen bringen nichts." Sterben in Deutschland schon in hohem Maße geregelt. So hätten Patienten bereits jetzt das Recht, eine Therapie abzulehnen oder vorzeitig zu beenden. Es hapere vielmehr bei der praktischen Umsetzung, erläuterte der Vorsitzende des Klinischen Ethik-Komitees der Medizinischen Hochschule Hannover.

Aus Angst um die Zulassung werde die Suizidbeihilfe von Ärzten immer noch versteckt, kritisierte Neitzke. Die Mediziner dürften oft nicht einmal ergebnisoffene Beratungsgespräche mit Suizidgefährdeten führen. Dabei verhinderten gerade solche Gespräche in den meisten Fällen Selbsttötungen. (epd)
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