© Kirchentag.de

NDR-Zwischenruf: Und - was haben die daraus gelernt?

Sun, 28 Jan 2018 16:36:13 +0000 von . Bischofskanzlei

Wie sehr hat meine Generation gehofft, dass unsere Gesellschaft die dunklen Schatten aus der Geschichte hinter sich lässt: Nationalsozialistisches Gedankengut, Rassismus, Antisemitismus. Vergeblich. Allein schon die Meldung, dass in einigen Städten Juden vermeiden, sich öffentlich mit einer Kippa sehen zu lassen, ist erschütternd. Zum gestrigen "Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus" gab es in vielen Parlamenten besorgte Reden. Andere allerdings fühlen sich aufgerufen, dieses Gedenken ad acta zu legen.

Vor ein paar Tagen ging ein Vorschlag der Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli durch die Medien. Sie hat sich für Pflichtbesuche in Konzentrationslagern ausgesprochen. Das müsse auch für Zuwanderer gelten. Ob es mit Pflichtbesuchen getan ist?

Als ich vor drei Wochen mit meinen Kindern (17 und 18 Jahre alt) in der zentralen Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem war, fragte nach zwei Stunden schweigendem Gang durch die Ausstellung meine Tochter: „Und Oma hat da schon gelebt?“ Wir spürten alle sofort, dass dieses Gedenken keine historische Erinnerung ist, sondern einen unmittelbaren Ort in allen deutschen Familien hat und haben muss.

Dieser Gedenktag bleibt ein Stachel im Fleisch. Er ist die Verantwortung allen Opfern des Nationalsozialismus, denen Name, Recht und Leben genommen worden ist, die Würde zu geben. Er ist die bleibende Verantwortung für die Versöhnung mit den jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern zu arbeiten.

Auch unsere Kindeskinder werden einmal durch die Ausstellungen und die Erinnerungsorte gehen und über meine Generation fragen: „Und- was haben die daraus gelernt?“

Ralf Meister

Zwischenruf zum Hören
Quelle: Wikipedia/Yad Vashem, Halle der Namen
Bestätigen

Bist du sicher?