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Karfreitag: Eine schwer verständliche Umarmung im Leid

Thu, 06 Apr 2023 22:00:00 +0000 von . Bischofskanzlei

Kreuze stehen in langen Reihen auf frischen Gräbern oder einzeln am Straßenrand. Autos fahren vorbei. Manchmal liegen Blumen an dem Kreuz. Jemand hat sie hingelegt, auch wenn die Schrift auf dem Holz kaum noch zu lesen ist. Ein Name und zwei Jahreszahlen. An der Stelle, wo sich die Balken kreuzen, ist ein Bild in Plastikfolie eingeschweißt. Die Sonne hat die Farben ausbleichen lassen. Eine 19-jährige junge Frau starb an diesem Baum. In der Friedhofskapelle hatte die Menschenmenge kaum Platz. Tränen und fassungslose Gesichter. „Mein Gott, mein Gott - warum?“

Gibt es hoffnungsvolles Leid? Was wir sehen, ist das Gegenteil. Schreckliche Bilder überschütten uns mit Tod, Katastrophen und Krieg. Wir sehen maßlose Brutalität und Grausamkeit. Auch ist uns das Leid des eigenen Lebens ständig präsent. Ein guter Teil aller Lebensenergie richtet sich darauf, uns davor zu schützen und dagegen zu wehren.

Am Kreuz wendet sich Gott nicht ab. Er wendet sich zu. "Also hat Gott die Welt geliebt." Was wir am Karfreitag sehen, ist eine schwer verständliche Umarmung im Leid. 

In der Stiftskirche in Loccum zeigt eine Bronze-Skulptur diese Zuwendung Gottes im Leiden Christi. Die Skulptur des Künstlers Werner Franzen, deren Erstguß im Altenberger Dom bei Köln zu sehen ist,  zeigt, wie Christus sich vom Kreuz herabbeugt und einen der Gründer des Zisterzienserordens, Bernhard von Clairvaux, wie auch den Reformator Martin Luther umarmt. Sie ist gestaltet nach einem Traum des Abtes Bernhard von Clairvaux, in dem er sieht, wie sich Christus vom Kreuz hinunterneigt und ihn umarmt. Gott will nicht den Untergang in Trennung,
Leid und Schmerz, sondern das Auferstehen ins Leben. Und so umarmt er uns besonders in den Kreuzesmomenten unseres Lebens. 

Und unter dem Kreuz beginnt eine neue Art von Gemeinschaft. So wie der katholische Zisterziensermönch und der Reformator Martin Luther, die 400 Jahre voneinander lebten, von Gott gemeinsam in die Arme geschlossen werden, so überwindet der Tod Jesu die Trennungen dieses Lebens, und der Vorhang zerreißt. Die unter dem Kreuz stehen, macht er aufmerksam, wie sie füreinander da sind. Es wird die Urzelle der Solidarität. Ja, wir sind anfällig. Oft auch unfähig und ungerecht. Wir sind empfindlich. Aber daraus erlöst uns kein Schutzpanzer. Wir brauchen keine Sündenböcke. Wir brauchen keine radikalen Lösungen. Wir brauchen niemanden zu opfern. Wir vereinen uns im Schmerz und verbinden uns in der Liebe. So können wir gehen zum Fest des Lebens und der Auferstehung. 

Mit einem stillen Gruß
Ihr
Ralf Meister
Quelle: Michael Flämig
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