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Erneute Rücktrittsforderung an Landesbischof Meister

Wed, 05 Jun 2024 15:54:35 +0000 von . Bischofskanzlei

Kirchenleitende Gremien stellen sich hinter Landesbischof Ralf Meister

Landesbischof Ralf Meister ist mit einer erneuten Rücktrittsforderung Missbrauchsbetroffener konfrontiert. Er müsse aus einem unzureichenden Umgang der Landeskirche mit Missbrauchsfällen Konsequenzen ziehen, heißt es in einem am Mittwoch veröffentlichten offenen Brief: „Die einzige verantwortungsvolle Option ist der Rücktritt von Landesbischof Meister.“ Bereits im März hatte eine Missbrauchsbetroffene den Rücktritt des 62-Jährigen gefordert. Der Theologe steht seit 2011 an der Spitze der größten der 20 evangelischen Landeskirchen in Deutschland. Die kirchenleitenden Gremien stellten sich hinter den Bischof.

Sie seien überzeugt, „dass Ralf Meister seiner Verantwortung als Landesbischof gerecht wird, auch, indem er Fehler im Umgang mit Betroffenen eingeräumt und konkrete Verbesserungen eingeleitet hat“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Sie ist verfasst vom Präsidenten der Landessynode, Matthias Kannengießer, vom Vorsitzenden des Landessynodalausschusses, Jörn Surborg, vom Kollegium des Landeskirchenamtes und vom Bischofsrat. Sie stünden dafür ein, dass es einen grundlegenden Kulturwandel und strukturelle Veränderungen in der Kirche geben werde, versicherten diese.

Die Betroffenen machen Meister insbesondere für Versäumnisse in der landeskirchlichen Fachstelle für sexualisierte Gewalt verantwortlich. Auch nach einer Neuaufstellung 2021 würden Betroffene „weiterhin sehr negative Erfahrungen“ mit der Fachstelle machen, heißt es in dem Brief vom Mittwoch. Mails würden nicht oder nur schleppend bearbeitet, Anliegen nicht bearbeitet, Daten teilweise ohne Zustimmung weitergegeben und „Betroffenen wird immer noch nicht geglaubt, wenn die Täter noch im Dienst sind“. Die Betroffenen werfen dem Bischof zudem vor, er habe sich nie persönlich bei ihnen entschuldigt.

In ihrer gemeinsamen Erklärung übernahmen die kirchenleitenden Gremien die Verantwortung für Mängel in der Fachstelle. Sie hätten die Unterbesetzung der Fachstelle bis 2021 nicht früh genug erkannt. „Dieses bedauern wir sehr.“ Mittlerweile sei die Fachstelle aber auf Initiative des Landesbischofs personell aufgestockt worden. Meister habe zudem Fehler im Umgang mit den Betroffenen eingeräumt und mittlerweile eine Reihe von Gesprächen mit Betroffenen geführt.

Der Brief wurde unmittelbar vor viertägigen Beratungen der hannoverschen Landessynode veröffentlicht, die am Mittwochnachmittag im Kloster Loccum bei Nienburg beginnen sollen. Er wurde für die „Initiative “Sexualisierte Gewalt in der Landeskirche Hannovers: Meisterhafte Vertuschung beenden!" von den Betroffenenvertretern Dörte Münch, Horst E., Kerstin Krebs und Katharina Kracht unterzeichnet. Sie nehmen Bezug auf eine Rücktrittsforderung der unter Pseudonym auftretenden Missbrauchsbetroffenen Lisa Meyer aus dem März. Meyer hatte maßgeblich die Aufklärung von Missbrauchsfällen in der evangelischen Kirchengemeinde Oesede bei Osnabrück vorangetrieben. Sie war in den Jahren 1973 und 1974 als Elfjährige von einem angehenden Diakon dieser Kirchengemeinde mehrfach schwer missbraucht worden.

In dem Brief vom Mittwoch heißt es: „Als Betroffene von sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend unterstützen wir die Forderung von Lisa Meyer.“ Landesbischof Meister habe die Bedeutung des Themas sexualisierte Gewalt nicht erkannt. So ein Versagen gefährde Betroffene, die in der Vergangenheit sexualisierte Gewalt in der Kirche erlebt haben. Es gefährde auch Kinder und Jugendliche, die heute kirchliche Angebote wahrnehmen, „weil Strukturen von Gewalt nicht erkannt und nicht aufgeklärt werden“.

Erst am Dienstag war ein Brief bekannt geworden, in dem mehr als 200 evangelische Pastorinnen, Diakone und kirchliche Mitarbeitende die Leitung der hannoverschen Landeskirche für deren Umgang mit Missbrauchsfällen kritisieren. Sie seien entsetzt über das Ausmaß sexualisierter Gewalt in der Kirche und den Umgang damit bis in die jüngste Vergangenheit, schreiben sie. „Das Verhalten kirchenleitender Verantwortlicher hat unser Vertrauen in die Kirchenleitung beschädigt“, heißt es in dem Schreiben. Landesbischof Meister hatte darauf mit Verständnis reagiert.

epd Niedersachsen/Bremen

Im Wortlaut: Gemeinsame Erklärung des Präsidenten der Landessynode, des Vorsitzenden des Landesynodalausschusses, des Kollegiums des Landeskirchenamtes und des Bischofrates

„Wir haben heute Kenntnis erhalten von einem offenen Brief von Betroffenen sexualisierter Gewalt. Sie fordern darin den Rücktritt von Landesbischof Ralf Meister und äußern deutliche Kritik an der Arbeit der Fachstelle Sexualisierte Gewalt der Landeskirche und an der Aufarbeitungs- und Präventionsarbeit in der Landeskirche Hannovers insgesamt.

Bei der Pressekonferenz zum Bericht der Unabhängigen Aufarbeitungskommission im Fall Oesede am 15. März 2024 hat Landesbischof Meister betont, dass er sich mehr denn je in der Verantwortung dafür sieht, dass die Empfehlungen der Kommission und die daraus folgenden Konsequenzen zügig umgesetzt werden.

In der Folge hat die Landeskirche Hannovers entscheidende Veränderungen eingeleitet, um der berechtigten Kritik von Betroffenen sexualisierter Gewalt und der Aufarbeitungskommission nachzukommen. Um die Fachstelle Sexualisierte Gewalt zu stärken, haben wir eine Neuordnung der Zuständigkeiten innerhalb des Landeskirchenamts vorgenommen. In diesem Zusammenhang wurden und werden die personellen Ressourcen in der Fachstelle deutlich ausgeweitet. Die Verfahrensabläufe in der Fachstelle werden wir zusammen mit Betroffenen fortlaufend überprüfen. Landesbischof Meister hat mittlerweile eine Reihe von Gesprächen mit Betroffenen geführt und wird diese auch fortsetzen. Das Gesprächsangebot richtet sich ausdrücklich auch an die Unterzeichnenden des offenen Briefes.

Als kirchenleitende Gremien sind wir überzeugt, dass Ralf Meister seiner Verantwortung als Landesbischof gerecht wird, auch, indem er Fehler im Umgang mit Betroffenen eingeräumt und konkrete Verbesserungen eingeleitet hat.

Ebenso sind wir der Überzeugung, dass die Mitarbeitenden der Fachstelle Sexualisierte Gewalt ihre Aufgaben professionell, mit großem Engagement und im Sinne der Betroffenenorientierung erfüllen. Es ist unser Fehler, dass wir die Unterbesetzung der Fachstelle und ihre Folgen insbesondere in den Jahren bis 2021 nicht früh genug erkannt und entsprechend reagiert haben. Dieses bedauern wir sehr. Deshalb haben wir hier, auch auf Initiative von Landesbischof Meister, deutlich nachgebessert.

Gemeinsam mit dem Landesbischof stehen wir als Kirchenleitung dafür ein, dass es in unserer Landeskirche einen grundlegenden Kulturwandel und strukturelle Veränderungen geben wird. Unser aller Anliegen ist es, dass Kirche künftig ein sicherer Raum ist.“
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