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BischofsBLOG: Besuch in Indien

Thu, 28 Jan 2016 21:41:12 +0000 von Benjamin Simon-Hinkelmann

Tag 2: Kirchen und Hindu-Nationalismus

Eine Fahrt zu einer der größten Kirche in Dehli schließt sich an den Schulebesuch an. Eingeweiht wurde die anglikanische Kirche, die in unmittelbarer Nähe zum Präsidentenpalast liegt, 1931. Der imposante Bau im eigenen Stil eines indischen Architekten wird gerade saniert. Einer der Ortspastoren, Rev. Dr. Paul Swarup von der Church of Northindia (CNI), erklärt uns die Geschichte dieser Kirche. Sie gehört zur North Indian Church, einer Fusion von sechs in Nordindien präsenten Kirchen. Die Auseinandersetzung mit dem hinduistischen Nationalismus hat die Kirchen in Indien näher zusammengebracht. Als nach dem Gewinn der nationalen Wahl durch die hindu-nationalistische BJP die Ausschreitungen gegen Christen und Muslime begannen und die Regierung darauf nicht eindeutig reagierte, gab es vor den lokalen Wahlen im Bundesstaat Dehli friedliche Demonstrationen von Christinnen und Christen, die durch Festnahmen und massive Eingriffe der Polizei aufgelöst wurden.

Die Berichterstattung darüber innerhalb der Medien und die Machtarroganz, mit der die BJP bei diesen Wahlen auftrat, führten dazu, dass die Partei eine verheerende Wahlniederlage erlebte. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass sich der Ministerpräsident mittlerweile sehr offen für religiöse Toleranz ausspricht. Auch die versuchten Trans-Konversionen durch hindustische Gruppen geschehen nicht mehr in der Öffentlichkeit.

Die christlichen Kirchen aus ganz Indien treffen sich seit dem Aufflammen des hinduistischen Nationalismus zweimal jährlich, zuletzt vor wenigen Tagen mit 700 Vertretern. Eine Vereinbarung formuliert zwei Aufträge: Die Verkündigung der Schrift und das Gebet für Indien. Es werden Gebetsmärsche in den Städten veranstaltet. Doch diese Aktionen bleiben bewußt zurückhaltend, sollen nicht als Provokation verstanden werden und suchen nicht die politische Öffentlichkeit.

Der Abend erhält einen besonderen Ausklang. Pastor Markus Lesinski von der deutschsprachigen protestantischen Kirchengemeinde Nordindien singt in einem kleinen indischen Kammerchor mit, der von einer Französin geleitet wird. Sie proben für Aufführungen in Bengalore und Dehli ein Programm romantischer Chormusik von Brahms, Mendelsohn, Schumann und Schubert. Der Probenort ist der Verkaufsraum für KAWAI-Flügel im dritten Stock eines Gebäudes an einer vielspurigen Straßenkreuzung, die vom Abendverkehr tobt. Als wir eintreten sitzt der Chor auf Stühlen um einen weißen Flügel und probt die Zigeunerlieder von Brahms; immer wieder unterbrochen von der französischen Dirigentin, die auf Englisch den deutschen Text erklärt, damit der Inhalt der Sätze auch angemessen und mit entsprechenden Betonungen und Empathie gesungen werden kann. Von der Kreuzung klingt das unentwegte Hupen herauf und mit diesem Dehli’er Hintergrund singt uns der Chor romantische Lieder.
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