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BischofsBLOG: Besuch in Indien

Wed, 27 Jan 2016 10:07:22 +0000 von . Bischofskanzlei

Grenzen überschreiten – Gottes Liebe erleben – Für eine gerechte Welt eintreten“: Für diesen Dreiklang steht das Ev.-luth. Missionswerk in Niedersachsen (ELM Hermannsburg) in seinem Engagement. Im Kontext des Themenjahres "Reformation und eine Welt" reist Landesbischof Meister bis zum 7. Februar mit Vertretern des ELM durch Indien, besucht Partnergemeinden und Projekte und führt Gespräche mit religiösen, politischen und wirtschaftlichen Vertretern des Landes.
In den kommenden Tagen wird er -wann immer die technischen Möglichkeiten in Indien es zulassen- hier von seinen Eindrücken berichten:


Tag 1: Ankommen im Land voller Gegensätze

Durch Nebeldunst nach Agra zum Taj Mahal. Bei der frühen Abfahrt, nach drei Stunden Schlaf, war es zuerst der morgendliche Smog, der die Autofahrt heraus aus Dehli zu einer unsichtbaren Reise machte. Einzelne Straßensperren verzögerten die Ausfahrt aus der Stadt. Der Republikanische Feiertag aus Anlass der Staatsgründung wurde mit einer großen Militärparade gefeiert, an der hunderttausende Zuschauer teilnehmen. Aus Sicherheitsgründen wurde der gesamte Bereich weiträumig abgesperrt. Schon in den Morgenstunden waren erste Menschengruppen unterwegs, um sich einen günstigen Stehplatz zu sichern. So erreichten wir, ohne kaum etwas von der Stadtbebauung gesehen zu haben, den Highway Richtung Süden. Der Taxi-Fahrer, ein Sikh, fuhr mit 90 bis 100 Stundenkilometern durch den dichten Dunst auf einer dreispurigen Autobahn. Linksverkehr, aus der britischen Kolonialzeit noch aufrechterhalten. Nur der helle Nebel umgab uns, der die Sicht auf unter 50 Meter begrenzte. Schon gestern Abend beim Anflug auf Neu Dehli lag eine Smogglocke über der Stadt durch den die gelbliche Straßenbeleuchtung wie matte Flecken hindurchleuchteten.

Ankunft nach drei Stunden Fahrt am Taj Mahal, dem Kronen-Palast, dem teuersten, aufwendigsten und kostbarsten Liebesbau aller Zeiten. Während wir in Agra ankamen hatte sich der Nebel unter der Morgenwärme aufgelöst. Eine dunstige Umhüllung hing über den Wiesen und gab dem kunstvollen Bau eine zauberhafte Anmutung. Als muslimisches Grabmal aus indischem Marmor errichtet, steht er wie eine große wundervolle Skulptur, kostbar ausgeschmückt mit Steinintarsien, die sowohl Schriftzüge des Koran wie auch Blumenmuster einfügen. Große marmorne Wandplatten sind perforiert mit engem geometrischen Mustern und bieten Durchblicke. Ein Relief mit Blumenschmuck, der unterschiedliche florale Muster zeigt, zieht sich teilweise Meterhoch an den unteren Wandabschnitten hinauf. Es ist ein perfektes Kunsthandwerk und eine architektonische Meisterleistung. Die Zuwegungen führen durch Fortanlagen, die dieses Bauwerk symmetrisch einrahmen. Der Hauptweg zieht sich an einem Wasserbecken entlang, der von gleichmäßig geschnittenen Wachholderbäumen gesäumt ist. In den Bäumen singen Papageien, am Rande der Anlage spielen Affen in den Zweigen. Ursprünglich pumpten – so wurde erzählt - 10 Männer das Wasser für die spärlichen Springbrunnen.

Hinter dem palastartigen Grabmal fließt eine Kloake vorbei, auf deren glänzend schwarzer Oberfläche Plastikmüll und Blumengebinde von den Leichenverbrennungen schwimmen. Nur wenige hundert Meter entfernt am Fuß eines Brückenpfeilers schlugen Frauen die gewaschene Wäsche aus und legten sie zum Trocknen aus. Wie in einer solchen dunklen Brühe noch Wäsche gereinigt werden kann, bleibt ein Rätsel. Die Straßenzüge in Agra zeigen das Elend des Landes. Geballte Armut. Verwahrloste Menschen in ärmlichster Kleidung sitzen auf den Wegen, dreckige Schlammpfützen vor den kleinen Marktständen. Kühe stehen am Rand der Straße oder liegen in Hausruinen. Hunde dösen auf warmen Steinen oder liegen im Staub, streunen zwischen dem Müll oder überqueren die Straßen.

Wenn man dieses Land jemandem nahe bringen will, dann durch einen morgendlichen schweigenden Spaziergang um das Taj Mahal. Und wenn man Indien von seiner Kehrseite zeigen will, muss man nur zehn Minuten durch die Gassen und Wege in der Stadt gehen.
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