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"Es ist genug"

Sat, 05 Oct 2019 17:26:26 +0000 von . Bischofskanzlei

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Gedanken von Landesbischof Ralf Meister zum Erntedankfest

Der Kürbis eingelegt, die Äpfel zu Mus gekocht oder zu Most gemacht und alles im alten Kohlenkeller bis zum Frühjahr aufbewahrt. Wenn wir als Kinder aus unserem „Esskeller“ wieder nach oben in die Küche zurückgingen, dann sagten wir zur Mutter: „Das reicht doch für ein ganzes Leben!“

An diesem Sonntag sagen wir nicht nur Dank für reich gedeckte Tische und gefüllte Keller. Es geht auch um den Vorrat für andere Zeiten – nicht nur für den Magen. Ein Gedicht des Pfarrers und Dichters Albrecht Goes beginnt so:

Habt Vorrat ihr genug, ihr meine Augen,

für einen Winter, lang und weiß und grau?
Nehmt noch dies Asternrot, dies weiche Lila,
dies späte Gelb, dies herbstlich klare Blau.

Wer weiß, wo wir sein werden, wenn wir diese Farben brauchen werden? Wer sagt uns, was in den kommenden Monaten noch alles geschehen kann, was uns unbeschwert oder mühsam bevorsteht? Für diese Zeiten sorgen wir vor, darüber machen wir uns Sorgen.

Meine Mutter hat in ihrem Leben noch Hunger kennen gelernt. Inzwischen, als Erwachsener, weiß ich: Noch niemals in der Geschichte sind alle Menschen satt geworden. Das Erschreckende dabei ist: Heute könnten wir den Hunger besiegen. Rein rechnerisch könnten die verfügbaren Nahrungsmittel auf der Welt für eine ausreichende Kalorienzufuhr aller Erdenbewohner ausreichen, sagt eine Studie der Evangelischen Kirche in Deutschland. Leben in Fülle wäre möglich, jedoch: Der Wohlstand ist ungerecht verteilt. Zwar sind wir über das Internet mit Menschen auf der ganzen Welt vernetzt, aber ein globales Netz der Solidarität, in dem alle satt werden, haben wir noch nicht.

Jesus erzählt eine Geschichte von einem, dem es gut geht, ein Kornbauer (Lukas 12,15-21). Er ist fleißig. Er investiert. Er verhält sich vorbildlich und plant Erweiterungsbauten für seine Ernteerträge. Er schafft Arbeitsplätze. Er sorgt vor - wer weiß, wie die Ernte des nächsten Jahres ausfällt? Betriebswirtschaftlich gesehen handelt er, wie man verantwortlich handeln muss: „Ich will meine Scheunen abbrechen und will größere bauen und will darein sammeln all […] meine Güter und will sagen zu meiner Seele: liebe Seele, du hast einen großen Vorrat auf viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut!“ Später, irgendwann... man ahnt: Die Rechnung wird nicht aufgehen. „Gott sprach zu ihm: Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern.“

Freiheit gibt es nur, wo wir wissen, dass wir endlich sind. Das hat der Kornbauer aus dem Blick verloren. Jesus antwortet darauf mit der Verlockung zur Freiheit: Euer Leben ist mehr als eure Scheunen; es ist mehr als euer Ansehen und eure Schönheit und eure Gesundheit. Und für die Erfüllung, in Gottes Gnade leben zu dürfen, bedürft ihr keiner Scheunen und großen Vorratskammern. Kommt, so wie ihr seid!

Jesu Gleichnisse wollen den aufrührerischen Geist in uns anfachen: Nicht nur tun, was rational ist. Was alle machen. Türen öffnen für den Möglichkeitssinn. Die Freiheit gewinnen wir nicht im mehr sondern in der geistlichen Konzentration auf das Wesentliche. Nehmen wir uns den Freiraum zu sagen: Es ist genug?
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