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Im Wortlaut

Thu, 20 Mar 2014 22:15:05 +0000 von Christof Vetter

Meine Meinung 12/2014: ROTE KARTE
Keine Tageszeitung, keine Talkshow, keine Nachrichten- sendung ohne den Hoeneß-Effekt. Vor einer Woche überflutete der Prozess über die Steuerschuld des Ex-Präsidenten vom FC Bayern München alle Datenkanäle.

Viele Kategorien sachlicher Informationen im Rahmen eines Strafprozesses wurden medial außer Kraft gesetzt, als ein anerkannter und wohltätiger Wirtschaftsboss und ehemals erfolgreicher Fußballspieler sich schuldig bekannte.

In diesem Prozess standen nicht nur die Steuerschulden und eine fragliche Selbstanzeige im Brennpunkt der Öffentlichkeit, sondern auch die Gefühlslagen des Beschuldigten, die Stabilität seiner Ehe, das Verhalten seiner besten Freunde und abertausend völlig irrelevante Fragen.

Dieser mediale Overkill hat niemandem gedient und wurde gekrönt mit absurden Feststellungen zur Person und zur Tat des Uli Hoeneß von hohen Regierungsvertretern. Der mediale Stammtisch lud zu Verdächtigungen und Spekulationen ein und zerrieb die wichtige Differenz zwischen Person und Tat.

Wenn Frank Plasberg in dieser Woche in seiner Sendung „hart aber fair“ mit Rückblick auf die „Hoeneß-Woche“ von einem „Betablocker“ sprach, der die Informationen über die Ukraine und die Krim an die Seite gedrängt hatte, muss man kritisch zurückfragen: Und wer hat den Medien diese Medikation verabreicht? Wer mischt die pharmazeutischen Rezepte, so dass jede Medienethik in der Schreib- und Berichtswut über Personen des öffentlichen Lebens gnadenlos abgeführt wird? Wer greift ein, wenn jegliche Disziplin in der Fülle der Berichterstattung fahren gelassen wird und zwischen den Taten einer Person und seinem Wert als Person nicht mehr unterschieden wird?

Journalisten und Produzenten haben eine öffentliche Aufgabe. Sie bedienen das öffentliche Interesse, aber sie steuern es auch. In besonderer Weise sind sie dem Gemeinwohl verpflichtet. Die Tugend des Maß-Haltens als alte Tugend droht in Vergessenheit zu geraten. Diese Verantwortungslosigkeit, die wir zum wiederholten Male erleben, kann nicht allein von Konsumenten beeinflusst werden. Sie braucht einen kritischen Reflex aus den eigenen journalistischen Reihen. Die Rote Karte muss in der journalistischen Berufskultur neue Relevanz gewinnen.

Ralf Meister, Landesbischof in Hannover
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